Millimeter-Arbeit in 134 Metern Höhe

Montage der letzten Windenergieanlage im Bürgerwindpark von St. Arnold

Das ist Präzisionsarbeit in 134 Metern Höhe. Wenn sich die 60 Tonnen schwere Gondel auf den Stahlturm senkt, ist höchste Konzentration gefragt. Drei Arbeiter sitzen dort oben im offenen Turm, mit Seilen gesichert, geben mit Funkgeräten dem Kranführer da unten ihre Anweisungen. Millimeterarbeit. Die Gondel schwebt auf die 120 Stahlstifte herab, ganz langsam. Der schwere Schatten senkt sich auf die Turmöffnung – bis es mit einem leicht kratzenden Rumms dunkel wird. Passt. Das Herz der Windenergieanlage, das Maschinenhaus, ist geliefert.
Frank Ruppersberg schaut da schon gar nicht mehr so richtig hin. Zehn Jahre ist der Bauleiter der Firma Nordex mit Sitz in Hamburg schon im Windenergie-Geschäft, unterwegs in Deutschland und ganz Europa. „So 600 bis 700 werden es sein“, antwortet der 49-Jährige auf die Frage, wie viele Windkraftanlagen er schon aufgebaut hat. Zuletzt war es die größte der Welt: 164 Meter Nabenhöhe, westlich von Frankfurt am Main.

Sein aktueller Arbeitsort: St. Arnold, Bürgerwindpark Neuenkirchen-Catenhorn, WEA3 – die letzte der vier Anlagen. Zwei sind schon am Netz, die letzte soll zum Stichtag 31. Juli ihren ersten Strom liefern. Viel früher als gedacht, geplant war Bauende im Herbst. „Es hat an anderen Baustellen Verzögerungen gegeben, da konnten wir hier schneller machen“, sagt Ruppersberg.
Dort oben unter dem Maschinenhaus ziehen die drei Männer die 120 Schauben fest, die die Gondel halten. Zwölf Meter ist das Maschinenhaus lang, 4,5 Meter hoch – groß wie ein Lastwagen und vollgestopft mit modernster Technik: Generator, Antriebe und Hydraulik, Schaltschränke und Messgeräte. „Das Maschinenhaus wird in Rostock vorgefertigt und hier nahezu komplett angeliefert“, sagt Ruppersberg im Schatten des mächtigen Betonturms, den Blick nach oben gerichtet. „Wir bauen noch die Wettermasten und die Kühlung an, schrauben die Bleche fest – fertig.“ Und dann ab damit nach oben.

Minutiöse Vorbereitung

Zeit ist Geld – der alte Spruch gilt auch und vor allem im Windpark-Geschäft. Das Hochziehen der Gondel und später, am Freitag, die Montage der drei Rotorblätter muss minutiös vorbereitet werden. Denn wenn der Kran der Firma Hofmann aus Paderborn steht, muss es schnell gehen. „Der kostet 10000 Euro am Tag, Verzögerungen können wir uns da kaum leisten“, sagt der Bauleiter, der privat in Mecklenburg-Vorpommern wohnt.

Es kommt aber zu Verzögerungen, immer wieder. Der Wind ist Wohl- und Übeltäter zugleich. Täglich informiert sich der Bauleiter über die Wetterlage. Bei zu starken Böen wird der Krantag abgeblasen. „Es ist zu gefährlich, wenn die Teile trotz Seilsicherung ins Schwanken geraden und gegen Kran oder Turm prallen“, sagt Ruppersberg. Dann ruht die Baustelle, während oben der Wind bläst.

„Das ist ein echter Knochenjob“

Nächster Akt: die Nabe. Sieht von unten klein aus, ist aber übermannsgroß und wiegt vier Tonnen. An ihr werden später die drei Rotorblätter befestigt. Majestätisch zieht der riesige Kran die weiße Kugel mit den vier Löchern in den stahlblauen Himmel. Oben warten wieder die Schrauber, um auch dieses Bauteil an dem Maschinenhaus zu befestigen. Wie später am Freitag die drei Rotorblätter: Jedes ist 65 Meter lang, 15 Tonnen schwer und wird mit je 72 Schrauben an der Nabe festgemacht. „Das ist ein echter Knochenjob“, sagt Bauleiter Frank Ruppersberg. „Wir sind ein eingeschworenes Team, und das müssen wir auch sein.“ Die Arbeit in der Höhe erfordere festes Vertrauen und absolute Verlässlichkeit. „Da muss jeder Handgriff sitzen, sonst wird es gefährlich.“

Seit Januar wird am Bürgerwindpark in St. Arnold gearbeitet. Vier Anlagen stehen jetzt hier, drei auf Neuenkirchener, eine auf Rheiner Gebiet. Seit Januar wurden die Fundamente gelegt und die Wege gebaut, die Stromkabel verlegt und die Betontürme hochgezogen. Innen hohl, beherbergen die mächtigen Türme am Boden eine Menge Technik: Trafos, Umspanngeräte und einen Aufzug, der zwei Mann bis auf 125 Meter Höhe transportieren kann. „Den Aufzug brauchen wir auch für einen Notfall“, sagt Bauleiter Ruppersberg. „Wenn sich da oben mal einer verletzen sollte, kann der nicht 130 Meter die Leiter ‘runterklettern.“

15 Container Material und Büros

Zur Logistik des Aufbaus gehört auch die Anlieferung. Schon Wochen und Monate vorher sondieren die Nordex-Fachleute das Gebiet. „Manchmal müssen wir für Liefer- und Kranwege auch mal Bäume fällen. Das darf man aber nur bis Ende Februar.“ In St. Arnold war das nicht nötig. Aber die langen Rotorblätter, die in der Nacht zum Freitag geliefert wurden, brauchen vor allem in den Kurven eine Menge Platz. Da werden Felder plattgemacht und mit Stahlplatten belegt, damit die Lastwagen die Kurve kratzen können.

15 Container Material und Büros, zwölf Mann im Errichtungsteam, vier Kranführer. Sie alle ziehen in der kommenden Woche wieder ab, wenn die letzte Anlage in St. Arnold steht. Es geht weiter zur nächsten Baustelle, diesmal im hessischen Kirchheim. Vorher wurde die 3,3-Megawatt-Anlage abgenommen, der „Inbetriebnehmer“ hat dann seine Arbeit verrichtet und auf den Startknopf gedrückt. Läuft, dreht sich, macht Strom.

Bürgerwind Neuenkirchen
Konzeption und Betreiber: Bürgerwind Neuenkirchen GmbH & Co. KG, Wiesenhäuserweg 1
Technische Daten: vier Windenergieanlagen (drei auf Neuenkirchener, eine auf Rheiner Gebiet),
Hersteller Nordex N131/3300, Nabenhöhe 134 Meter, Rotordurchmesser 131 Meter
Leistung: ca. 32 Millionen kWh pro Jahr, ausreichend Strom für 8000 Haushalte
Umweltbilanz: ca. 24 Million Kilogramm jährliche CO2-Einsparung
Investition: 21 Millionen Euro
Beteiligte: Anwohner, Grundstückseigentümer und Bürger, Kommunen Neuenkirchen und Rheine-Catenhorn
www.buergerwind-neuenkirchen.de
 
Quelle: MV-Online
 

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